Aktuelles

Systemoptimierung geschmierter Kunststoff-Gleitsysteme

25.07.2024

© Fraunhofer IWM
Abb.: Ablauf der Evaluation des besten Systems am Beispiel Thermoplaste in geschmierten Antriebsystemen. Die analytische Methode hilft dabei, aus sehr vielen verschiedenen möglichen Kombinationen effizient zu einer Priorisierung zu kommen, anstatt nur wenige Systeme in praxisnahen Tests evaluieren zu müssen. Mit Kompatibilitätstests und immer weiteren Ebenen der einfachen Tauglichkeitsüberprüfung werden priorisierte Systeme in kurzer Zeit evaluiert.

Dr. Christof Koplin

Geschmierte Kunststoffe werden zunehmend für gleitende und wälzende Paarungen eingesetzt. Sie dämpfen Geräusche, überbrücken Spalten und Toleranzen dank ihrer großen Dehnfähigkeit, sind leicht, im Spritzguss günstig herstellbar und erzeugen geringe Trägheitsmomente. Dadurch werden sie zur Reduktion der Treibhausgasemissionen und zur Erhöhung der Kreislauffähigkeit von Stoffströmen zunehmend eingesetzt, auch in der Antriebstechnik. Als Dichtungswerkstoff sind sie breit verwendet. Ein angepasstes System aus Schmierung und Kunststoff kann die Reibung senken und die Lebensdauer erhöhen, was CO2-Emissionen reduziert.

Die Bilanzierung der Herstellung, des Transports und der Kreislauffähigkeit muss den Gebrauchszyklus berücksichtigen. Große Unternehmen und KMUs stehen unter Druck durch regulatorische Vorgaben und das Verbot bestimmter Substanzen wie PFAS. Am MikroTribologie Centrum µTC wurden Handlungshilfen und Prüfrichtlinien für geschmierte Kunststoffsysteme entwickelt, um Reibung und Verschleiß zu minimieren. Diese Methodik basiert auf einer physikalisch-chemisch-mechanistischen Beschreibung und etablierten Prüfverfahren. Eine einfache Prüfrichtlinie wird auch für die Rutschhemmung von Schuhsohlen und die Ermüdungsneigung von Dichtungen vorbereitet, basierend auf elastischen Längen der Grenzflächen und weiteren Messungen.


nach oben

Innovative Fortschritte in der Blechumformung durch programmierbare Schmierstoffe

01.07.2024

© Fraunhofer IWM
Abb.: Rheometeraufbau mit UV-LEDs. Der anthracenfunktionalisierte Schmierstoff leuchtet unter UV-Einstrahlung blau.

Dr. Dominic Linsler

Die Blechumformung durch Tiefziehen ist ein zentraler Prozess in der industriellen Großserienproduktion aufgrund niedriger laufender Kosten. Angesichts steigender Anforderungen an die Umformprodukte und kleinerer Losgrößen gewinnt die kontrollierte Prozessführung zunehmend an Bedeutung. Eine wesentliche Verbesserung kann durch die aktive Beeinflussung der Reibung zwischen Blech und Werkzeug erzielt werden, da das Umformergebnis maßgeblich vom Materialfluss abhängt.

Im Fraunhofer-Forschungscluster »Programmierbare Materialien CPM« wurden Schmierstoffe entwickelt, die durch UV-Licht gesteuert werden können. Die anthracenfunktionalisierten Moleküle in diesen Schmierstoffen ermöglichen eine reversible Vernetzung, wodurch die Viskosität und somit die Reibung gezielt verändert werden können. Dies verbessert die Prozessstabilität und reduziert Ausschussquoten erheblich.

Diese Innovation bietet Schmierstoffherstellern und Maschinenbauern neue Möglichkeiten, die Prozessstabilität zu verbessern und Kosten zu senken. Das MikroTribologie Centrum µTC unterstützt diese Entwicklungen durch umfassende Charakterisierungen, tribologische Modellversuche und Simulationen des Umformvorgangs.


nach oben

Interview mit Prof. Moseler und Prof. Scherge: Tribologie als Hebel für energieeffiziente und funktionale Systeme

25.06.2024

© Fraunhofer IWM, Foto: Margrit Müller
Abb.: Prof. Dr. Matthias Scherge und Prof. Dr. Michael Moseler im Austausch mit Dr. Lukas Gröner über Wasserstoffpermeation (v. l. n. r.).

Welchen Stellenwert hat die Tribologie aktuell in der Wertschöpfung?

Scherge: Die Vokabeln »Tribologie« sowie »Reibung« oder »Verschleiß« verstecken sich zunehmend in der Entwicklung und Verbesserung von gesamten Systemen. Für uns heißt das, dass sich unsere tribologische Forschung neu definieren und positionieren muss, und zwar in einem größeren Kontext. Wo bislang unsere Fachkenntnisse für punktuelle Lösungen zu Rate gezogen wurden, rücken in einer zunehmend holistischen Herangehensweise tribologische Fragestellungen als Teillösung in den Vordergrund.


Moseler: Das Wichtigste ist, den Wandel als Chance zu begreifen. Wir werden mit marktnaher Forschung demonstrieren, wie die tribologische Forschung als zentraler Hebel die Funktion und die Energieeffizienz von Maschinen und Antrieben verbessert. Uns treibt, fortwährend neue Herausforderungen zu lokalisieren. Die kreative Reibung in unseren Kundengesprächen setzt hier eine enorme wertschöpfende Energie frei.

Bergen solche Entwicklungen Risiken oder Chancen für das Feld Tribologie?

Moseler: In unserem Forschungsalltag am MikroTribologie Centrum µTC gelingt uns nach wie vor der kunstvolle Spagat zwischen Kundennähe und hohem akademischen Anspruch. Diese Stärke erst macht es uns möglich, so viele Kooperationen mit Unternehmen einzugehen, die nicht nur von unserer Expertise profitieren, sondern auch für unsere Forschung neue Felder erschließen lässt.

Es liegt also ein unausgeschöpftes Potential im Zeitenwandel?

Scherge: Absolut. »Umweltverträglichkeit« ist ein großes Stichwort, das uns umtreibt. Wir sind dazu angehalten, Lösungen zur Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zu leisten. Ende 2023 wurde zum Beispiel ein handliches Messgerät zur Detektion von schädlichen PFAS-Verbindungen mit dem Lothar Späth-Award ausgezeichnet, welches in einer Entwicklungskooperation zwischen dem MikroTribologie Centrum μTC und der Kompass GmbH entstand. Auch hinsichtlich der Fragen, die mit dem Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur aufkommen, sind Expertisen aus dem Bereich der Tribologie unabdingbar. Unsere Lösungsansätze zur Reibungsminderung und dem Verschleißschutz für Lager, Dichtungen und Antriebssysteme zahlen ein in der Sicherheit von Systemen, die mit Wasserstoff betrieben werden.

Moseler: Zusätzlich zeigt unsere Forschung im Bereich der superniedrigen Reibung, der sogenannten Supraschmierung, dass wir einen richtigen Weg zur Energieeffizienz eingeschlagen haben, und das mit großem Erfolg. Die Supraschmierung ist der Schlüssel schlechthin, um technische Systeme effizienter zu gestalten.

Das gesamte Interview, gemeinsam mit mehreren Fachbeiträgen, ist im Jahresbericht des Fraunhofer IWM zu lesen.


nach oben

Kurze Geschichte des MikroTribologie Centrums µTC

11.06.2024

© Fraunhofer IWM
Abb. 1: Chemische Analytik mittels Photoelektronenspektroskopie.
© Fraunhofer IWM
Abb. 2: MikroTribologie Centrum µTC Ost, Karlsruhe.
© Fraunhofer IWM/Dirk Mahler
Abb. 3: Die Empfänger des Stifterverbandspreises 2014 (v.li.): Dr. Holger Kretzschmann (Nematel), Werner Stehr und Susanne Beyer-Faiß (Dr. Tillwich GmbH), Dr. Andreas Kailer und Dr. Tobias Amann (Fraunhofer IWM).

Prof. Dr. Matthias Scherge

Vor 15 Jahren wurde die Idee geboren, aus einer fachlichen Zusammenarbeit des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM und Gruppen des Instituts für Angewandte Materialien (IAM) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) das MikroTribologie Centrum µTC zu formen. Zu diesem Zeitpunkt gab es auf Fraunhofer-Seite drei Gruppen, zwei davon in Freiburg und die dritte in Karlsruhe. Die Entscheidung, auch in Karlsruhe eine Gruppe zu haben, kam aus dem Bestreben, sich ingenieurstechnisch stärker zu vernetzen, da man in Freiburg bereits gute Anbindung an die Naturwissenschaften hatte. Die Freiburger Gruppen unter Leitung von Dr. Andreas Kailer und Dr. Sven Meier befassten sich mit Hochtemperaturtribologie und tribologischen Beschichtungen, während die Karlsruher Gruppe, die von Prof. Matthias Scherge seit 2007 aufgebaut wurde, sich der tribologischen Konditionierung verschrieben hatte. Durch Neuorganisation im Fraunhofer IWM kam 2008 die Gruppe von Prof. Michael Moseler zur Tribologie und beschäftigt sich seitdem mit atomistischer Simulation für Reibung und Verschleiß. Im Jahr 2010 wurde dann noch die Gruppe Polymer- und Elastomertribologie unter Leitung von Dr. Raimund Jaeger gegründet.

Auf der Seite des IAM gab es auch Aktivitäten zur Tribologie, die durch Eingliederung der Gruppe von Dr. Johannes Schneider – der seine Tribologie bei Prof. Karl-Heinz zum Gahr erlernt hatte – eine breitere Dynamik erfuhr. Im Herbst 2010 erfolgte dann der offizielle Startschuss des Zentrums mit einer Gründungsveranstaltung im Kongresszentrum Karlsruhe, auf der Prof. Holger Hanselka die Grußworte des Vorstands der Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Zusage einer Anschubfinanzierung überbrachte.

Durch Erfolge bei der Beantragung von Forschungsmitteln konnten zwei weitere Gruppen auf KIT-Seite aufgebaut werden. So wurde zunächst Dr. Martin Dienwiebel die Ehre zuteil, innerhalb des Emmy Noether-Programms der DFG in eigenverantwortlicher Leitung eine Nachwuchsgruppe aufzubauen und für eine Hochschulprofessur zu qualifizieren. Martin Dienwiebel wurde mittlerweile auf eine Heisenberg-Professur am KIT berufen und unterrichtet das Fach Nanotribologie. Ebenfalls Emmy Noether-Stipendiat war Dr. Christian Greiner. 2021 wurde Christian Greiner auf eine Professur am KIT berufen.

Seit 2010 hat sich das MikroTribologie Centrum µTC eine große nationale und internationale Sichtbarkeit erworben. So wurden die DGM »Friction« Konferenzen und ein Tribosymposium auf den »Multiscale Materials Modeling« Konferenzen federführend organisiert. Veröffentlichungstechnisch hat das MikroTribologie Centrum µTC in allen wichtigen tribologischen Journalen Spuren hinterlassen. Mit seiner Forschung zur Diamanttribologie und Supraschmierung konnten sogar mehrere Artikel in Nature Journalen platziert werden.

Ende 2023 wurde eine Umstrukturierung bei den Fraunhofer-Gruppen notwendig, sodass mit Anfang 2024 nunmehr sieben Gruppen aktiv sind. Das MikroTribologie Centrum µTC agiert äußerst erfolgreich am Forschungsmarkt sowohl in wissenschaftlicher als auch finanzieller Hinsicht.

nach oben

Effiziente Berechnung von Hochdruck-Viskositäten aus Molekulardynamik-Daten

02.05.2024

© Fraunhofer IWM
Abb.: Unterschiedliche Berechnungsmethoden (grün: über Spannungstensor, orange: über Geschwindigkeitsvektor) der Viskosität mittels Gleichgewichts-Molekulardynamik-Daten

Lars Kruse, Dr. Kerstin Falk, Prof. Dr. Michael Moseler

In technischen Anwendungen sind Schmierstoffe unerlässlich, um Reibung und Verschleiß zu minimieren. Hierbei stellt die steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen Technologien erhöhte Anforderungen an diese Schmierstoffe. Zusätzlich stoßen herkömmliche Auswahlverfahren, besonders bei extremen Betriebsbedingungen, oft an ihre Grenzen. Daher ist eine präzise Beschreibung der Schmiereigenschaften von entscheidender Bedeutung für die Optimierung von Maschinen hinsichtlich ihrer Reibungseigenschaften. Wobei insbesondere die newtonsche Viskosität (scherunabhängige Viskosität) in der Auslegung von Schmierstoffen Anwendung findet.

Neben experimentellen Messverfahren bieten atomistische Computersimulationen verschiedene Berechnungsmethoden zur Bestimmung von Viskositäten in Abhängigkeit von Temperatur, Druck und Scherrate. In Molekulardynamiksimulationen wurden die Viskositäten bisher typischerweise entweder aus der Scherspannung gescherter Systeme oder in sogenannten Gleichgewichtssimulationen eines ungestörten Schmierstoffvolumens aus dem Spannungstensor ermittelt. Anstatt aus dem Spannungstensor die Viskosität zu ermitteln, wurde der Diffusionskoeffizient D aus den Molekül-Geschwindigkeiten berechnet. Mittels der Stokes-Einstein-Beziehung D = (kBT)/(4πRη) und dem hydrodynamischen Molekülradius R, kann dann wiederum die newtonsche Viskosität η ermittelt werden.

In unserer Veröffentlichung haben wir für ein typisches Basisöl (PAO4) im Temperatur- und Druckbereich von T = 20 … 150°C und P = 0 … 300MPa drei verschiedene Methoden für die Viskositätsberechnung aus Molekulardynamik-Daten verglichen. 

Kruse, L. B.; Falk, K.; Moseler, M., Calculating high-pressure PAO4 viscosity with equilibrium molecular dynamics simulations, Tribology Letters 72 (2024) Art. 40, 15 Seiten Link

 

nach oben

Supraschmierung von Keramik-DLC-Tribokontakten im Vakuum: Der Einfluss des Wasserstoffgehalts auf die Transferfilmbildung

02.04.2024

© American Chemical Society
Abb.: (a) Zeitliche Entwicklung des Reibkoeffizienten beim Reiben von Siliziumnitrid (Si3N4) gegen a-C:H-Beschichtungen mit unterschiedlichen Wasserstoffgehalten. Im Fall von 20 at. % H ergibt sich hohe Reibung und hoher Verschleiß, weil die Scherverformung in Si3N4 und der Si3N4/a-C:H-Grenzfläche lokalisiert ist (b). Im Gegensatz dazu findet die Scherung innerhalb der a-C:H-Beschichtung statt, wenn der Wasserstoffgehalt 36 at. % beträgt (c). In diesem Fall bildet sich ein a-C:H-Transferfilm aus. Adaptiert mit Genehmigung aus der Originalveröffentlichung (Kuwahara et al., Superlubricity of Silicon-Based Ceramics Sliding against Hydrogenated Amorphous Carbon in Ultrahigh Vacuum: Mechanisms of Transfer Film Formation, ACS Applied Materials & Interfaces 16/6 (2024) 8032-8044).

Dr. Gianpietro Moras, Dr. Thomas Reichenbach, Prof. Dr. Michael Moseler

Ungeschmierte tribologische Grenzflächen zwischen siliziumbasierten Keramiken wie Siliziumnitrid (Si3N4) oder Siliziumkarbid weisen hohe Reibung und hohen Verschleiß auf. Eine Lösung dieses Problems ist, die Keramik mit einer Gegenfläche aus wasserstoffhaltigem amorphem Kohlenstoff (a-C:H) zu kombinieren. Von dieser kann eine passivierende Kohlenstoffschicht auf die Keramikoberfläche übertragen werden. Die Mechanismen, die diesem Filmtransfer zugrunde liegen, und die Bedingungen, die ihn begünstigen, waren bis jetzt jedoch weitestgehend ungeklärt.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des MikroTribologie Centrums µTC und der École Centrale de Lyon untersuchten diese Fragestellung gemeinsam. In einer kürzlich erschienenen, aus dieser Kooperation resultierenden, wissenschaftlichen Veröffentlichung werden Reibungsexperimente im Ultrahochvakuum diskutiert, bei denen Reibungskoeffizienten unter 0,01 beim Reiben von Si3N4 gegen a-C:H mit einem Wasserstoffgehalt von 36 at. % gemessen wurden. Im Gegensatz dazu erhöht sich der Reibungskoeffizient auf über 0,7, einhergehend mit hohem Verschleiß, wenn der Wasserstoffgehalt der a-C:H-Schicht auf 20 at. % reduziert wird (vgl. Abbildung).

Durch chemische Oberflächenanalysen konnte bestätigt werden, dass sich die supraschmierende Reibgrenzfläche durch den Transfer eines Kohlenwasserstoff-Nanofilms auf der Si3N4-Oberfläche gebildet hat. Mittels atomistischer Simulationen konnte gezeigt werden, dass ein passivierender a-C:H-Transferfilm nur dann erfolgreich übertragen wird, wenn nach dem anfänglichen Kaltverschweißen der Keramik und der a-C:H-Schicht die plastische Scherverformung innerhalb der a-C:H-Schicht lokalisiert ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Scherfestigkeit von a-C:H geringer ist als die der Keramik und die der a-C:H-Keramik-Grenzfläche (vgl. Abbildung). Dazu muss der Wasserstoffgehalt der a-C:H-Schicht zwischen ∼30 und ∼50 at. % liegen.

Während bisher bekannt war, dass ein hoher Wasserstoffgehalt für eine effiziente Selbstpassivierung von a-C:H-Oberflächen im Vakuum erforderlich ist, zeigt diese Arbeit, dass der Wasserstoffgehalt auch für die Bildung eines stabilen a-C:H-Transferfilms entscheidend ist. Interessanterweise lassen sich diese Ergebnisse auch auf Glas, Siliziumcarbid und Stahl übertragen, was die Allgemeingültigkeit des vorgeschlagenen Mechanismus hervorhebt.

Weitere Informationen zur Veröffentlichung finden Sie unter dem folgenden Link:

Kuwahara, T.; Long, Y.; Sayilan, A.; Reichenbach, T.; Martin, J. M.; De Barros Bouchet, M. I.; Moseler, M.; Moras, G., Superlubricity of silicon-based ceramics sliding against hydrogenated amorphous carbon in ultrahigh vacuum: Mechanisms of transfer film formation, ACS Applied Materials & Interfaces 16/6 (2024) 8032-8044 Link

 

nach oben

Mikrofretting an elektrischen Kontakten beherrschen

05.03.2024

© Fraunhofer IWM
Abb.: Aufbau des Mikrofrettingtesters mit Kraftaufnehmer und Piezotisch. Das Diagramm zeigt einen beispielhaften Hysteresenverlauf.

Dr. Dominic Linsler

Elektrische Kontakte werden durch Schwingungen einer tribologischen Belastung (Fretting) ausgesetzt. Um das Verhalten von Kontakten zu verstehen und die Lebensdauer zu verbessern, ist es wichtig, die tribologischen Vorgänge in einem bauteilnahen Test zu untersuchen. Am MikroTribologie Centrum µTC wurde ein Nanoindenter mit einem piezoelektrischen Positionierer ergänzt, um die Kontaktbeanspruchung im Kraftbereich der realen Anwendung nachzustellen. Der Nanoindenter ermöglicht lastkontrollierte Versuche im Bereich von 10 Millinewton bis zu mehreren Newton und dient als Mikrofrettingtester. Der Testaufbau erlaubt es, das Kontaktaussehen aus der realen Anwendung mit realistischer Normalkraft und kleinsten lateralen Bewegungen im Mikrometerbereich zu reproduzieren. Die Lateralkraftverläufe geben Aufschluss über die Vorgänge und Veränderungen im Kontakt. So können Schlüsse auf einen stabilen Zustand des elektrischen Kontakts oder aber auch auf Degradationsmechanismen gezogen werden. Die Analyse von Einflussgrößen wie Schichthärte, Kontaktmaterial und -aufbau auf die Ausbildung des sogenannten »dritten Körpers« und damit letztendlich auf die Haltbarkeit des Steckkontakts wird mit analytischen Methoden wie Ionenfeinstrahl- und Rasterelektronenmikroskopie und klassischer Nanoindentation durchgeführt. Die Verknüpfung tribologischer Experimente bei kleinen Kräften und Wegen in Kombination mit der Analyse dieser tribologischen Kontakte ermöglicht gezielte Maßnahmen zur Erhöhung von Lebensdauer und Zuverlässigkeit der elektrischen Kontakte.

Elektrische Kontakte sind teilweise geschmiert. Die Schmierstoffe sind typischerweise PFPE-basiert. Mittelfristig kann die Verfügbarkeit dieser Schmierstoffe für Steckkontakte eingeschränkt sein. Die vorgestellte Methode bietet die Möglichkeit, alternative Schmierstoffe oder Beschichtungen systemnah und quantitativ zu charakterisieren und so auf den Wegfall der fluorierten Chemikalien zu reagieren.

 

nach oben

Das kratzt mich nicht!

29.02.2024

© Fraunhofer IWM
Abb.: Beispiel eines Scratch Tests. Oben gezeigt ist die Lichtmikroskopaufnahme des Scratches, darunter die gemessene Eindringtiefe (blau) und die Querkraft (magenta).

Alexander Fromm

Funktionale und tribologische Beschichtungen müssen i.d.R. eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen, wie z.B. Überrollfestigkeit, Korrosionsstabilität, Temperaturwechsellastbeständigkeit, etc. Grundvoraussetzung dafür ist immer eine gute Anbindung der Schicht zum Substrat, i.e. eine gute Schichthaftung. Diese jedoch in einem industrietauglichen Verfahren zu charakterisieren und zu bewerten ist nicht immer trivial. Gängige Prüfungen wie Kugeleindruck, Kreuzschnittverfahren oder Scotch-Tape-Test haben alle ihre Daseinsberechtigung, aber gerade bei dünnen Schichten auch ihre Schwächen.

Der neue Nano Scratch Tester, wie er am MikroTribologie Centrum µTC seit wenigen Monaten zur Verfügung steht, eignet sich auf Grund seiner feinen Kraft- und Tiefenauflösung hervorragend, um eine Schichtentwicklung zu begleiten und die Wirkung verschiedener Vorbehandlungsmethoden auf Schichthaftung und spätere Schichtperformance vergleichend bewerten zu können. Dazu wird mit einer Diamantspitze mit einem typischen Radius von 5 µm linear über die zu prüfende Schichtoberfläche geritzt und dabei die Last ebenfalls linear bis zu einer Maximalkraft von bis zu 1000 mN erhöht. Für sehr dünne Schichten steht nun auch ein High-Sensitivity-Mode von 1 mN – 10 mN zur Verfügung. Dabei können mit nm-Auflösung die Eindringtiefe, die verbleibende Eindringtiefe, die Querkraft (~Reibwert) und mit dem Ritzbild synchronisierte, lichtmikroskopische Analysen herangezogen werden, um jeweils schichtspezifische, kritische Kräfte zu definieren. 

Dazu werden Schichtschädigungen wie Einbrüche und Delaminationen, beginnende Rissbildung aber auch abrupte Anstiege im Querkraftsignal herangezogen. Damit kann der Einfluss von Reinigungsverfahren auf die Schichthaftung ebenso untersucht werden, wie eine Alterung der Schicht, z.B. nach einer Auslagerung, und die damit verbundenen Änderungen der Schicht. Zusätzliche elektronenmikroskopische Analysen und begleitende FE-Simulationen erlauben weitergehende Interpretationen zum Versagensmechanismus wie Kohäsivversagen vs. Adhäsivversagen o.ä. Dabei bringt das MikroTribologie Centrum µTC seine gesamte Erfahrung zu Beschichtungsverfahren, Materialverhalten und Bruchmechanik mit ein.

Bei besonders dicken Schichten oder Schichten mit bereits sehr guter Haftung und Beständigkeit kann am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM darüber hinaus zur Steigerung der Selektivität ein Scanning Scratch Test durchgeführt werden, bei dem der Ritznadel eine zusätzliche, laterale Schwingung überlagert wird. Dies verlängert den Ritzweg und steigert die Auflösung der Methode.

Der Scratch Test wird am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM nicht nur begleitend für eigene Schichtentwicklungen angewendet, die Gruppe »Tribologische und funktionale Schichtsysteme« bietet dies bereits seit vielen Jahren auch für Industriekunden als Dienstleistung an. Für z.B. Qualitätssicherungsmaßnahmen ist die Methode hervorragend geeignet. Sie ist bereits für mehrere Anwendungen in der Praxis erprobt und wird bei Kooperationspartnern für Ausgangskontrollen ihrer Produkte eingesetzt. 

 

nach oben

Ein tiefer Blick ins Plasma

22.02.2024

Alexander Fromm

Für die Elektronik, Sensorik und Medizintechnik sowie für spezielle Anwendungen in der Tribologie und für den Korrosionsschutz werden dünne, isolierende Beschichtungen benötigt. Diese werden i.d.R. über plasmabasierte PVD-Prozesse wie Magnetronsputtern aufgebracht. Dabei wird meist ein metallisches Target in einer Reaktivgasatmosphäre atomar zerstäubt. Die Prozesse beinhalten dabei in der Regel eine HF- oder MF-Anregung des Plasmas (Hochfrequenz bzw. Mittelfrequenz). Mit HF-Sputtern werden allerdings oftmals unterstöchiometrische Schichten mit einer prozessbedingten, aber unerwünschten Restporosität abgeschieden.

Vor etwa 25 Jahren wurde erstmals HiPIMS (engl. high power impulse magnetron sputtering) beschrieben. HiPIMS-Sputtern stellt eine Weiterentwicklung der gepulsten Gleichspannung (MF) dar, mit dem Ziel, durch hohe Leistungspulse Plasmen mit einer sehr hohen Dichte und hohem Ionisationsgrad zu erzeugen. Durch den hohen Ionisierungsgrad bietet HiPIMS-Sputtern so die Möglichkeit, die kinetische Energie der gesputterten Teilchen mit Hilfe elektrischer Felder zu manipulieren. Zusammen mit den bereits höheren mittleren kinetischen Energien der gesputterten Teilchen ergeben sich signifikante Vorteile gegenüber konventionellen Sputterverfahren, wie etwa die Erzeugung von Schichten mit hoher Adhäsion und Dichte. Im Vergleich zur konventionellen Abscheidung mit HF sind zudem häufig niedrigere Abscheidetemperaturen zum Erreichen ausgewählter Schichtmikrostrukturen und Kristallmodifikationen realisierbar. Bestimmte gehärtete Stähle können so z.B. erstmals beschichtet werden. Allerdings sind die Abscheideraten niedriger als bei einem HF- oder DC-Prozess gleicher mittlerer Leistung und auch die Prozessstabilisierung ist durch die hohen Peakströme und kurzen Pulsdauern nicht trivial – es kommt oftmals zu elektrischen Überschlägen (Arcing) zwischen isolierenden Bereichen auf dem Target oder sogar zwischen Target und Substrat. Dies führt zu einer sogenannten Dropletbildung, ähnlich wie bei Arc-Verfahren für die Erzeugung teilamorpher Kohlenstoffschichten (ta-C). Die erreichbare Schichtqualität wird so erheblich gemindert. Daher wird in der Literatur diskutiert, HiPIMS im hybriden Prozess mit anderen Abscheidemethoden zu kombinieren, um eine Erhöhung der Abscheiderate und Stabilisierung des Prozesses zu gewährleisten. Dabei wurde beispielsweise schon HiPIMS mit einer Mittelfrequenzanregung (MF) kombiniert.

Durch die gemeinsame Entwicklung mit der MELEC GmbH im Rahmen des ZIM-Projektes »HErO – Hybrides HiPIMS/HF-Sputterverfahren zur wirtschaftlichen Erzeugung kompakter Oxidschichten« ist es nun erstmals gelungen, einen hybriden Prozess mit gleichzeitiger HF- und HiPIMS-Anregung zu realisieren. Dabei ist es möglich, die HF-Anregung sowohl kontinuierlich zu betreiben, als auch mit der HiPIMS-Anregung zu synchronisieren, so dass z.B. die HF nur während den Off-Zeiten der HiPIMS-Anregung wirksam ist. 

Im Videoclip wird eindrücklich gezeigt, wie der hybride Betrieb die Plasmabedingungen stabilisiert und störendes Arcing unterdrückt.

Archiv: Ältere Beiträge

2023

2022

2021

2020

2018-2019