Aktuelles

Mechanochemische Aktivierung von Anthracen-[4+4]-Cycloaddukten

19.05.2023

© Fraunhofer IWM 2023
Barrieren zur schrittweisen Öffnung der Diels-Alder-Bindungen in Abhängigkeit der äußeren Kräfte.

Dr. Michael Walter, Dr. Dominik Linsler, Prof. Dr. Michael Moseler, Dr. Leonhard Mayrhofer

Die kontrollierte Bildung und Auflösung schwacher chemischer Bindungen ist eine vielseitige Methode, um die Eigenschaften von Materialien zu verändern. Anthracen-[4+4]-Cycloaddukte sind ein Paradebeispiel hierfür, denn sie enthalten Bindungen, welche durch Licht gebildet und durch äußere Kräfte wieder geöffnet werden können. In einem kürzlich veröffentlichten Zeitschriftenbeitrag befassen wir uns mit der theoretischen Beschreibung der Mechanochemie dieser Cycloaddukte. Die dafür standardmäßig angewandte Methode »constraint geometry simulates forces (CoGEF)« versagt aufgrund der fehlenden Berücksichtigung der Temperatur. Eine explizite Einbeziehung externer Kräfte ermöglicht jedoch die Bestimmung der Übergangsbarrieren, welche eindeutig vom Bruch der [4+4]-Interanthracen-Bindungen dominiert werden. Andere Bindungsöffnungen kommen erst bei extrem großen Kräften ins Spiel, die unter Umgebungsbedingungen nicht zu erwarten sind.

Die theoretischen Ergebnisse stehen im Einklang mit der experimentellen Rheologie von [4+4]-gebundenen Anthracenpolymeren. Diese zeigt eine reversible Neubildung von [4+4]-Cycloadditionsbindungen mit UV-Licht nach einem mechanochemischen Bindungsbruch unter Scherbeanspruchung. Der Bindungsbruch wird dabei mechanisch in quervernetzten Polymerstrukturen erzeugt. Im Gegensatz dazu sind linear vernetzende Polymerstrukturen unter Scherung bei tribologischer Belastung stabil. Die Anthracenbindungen in linearen Polymeren / Schmierstoffen können bei Temperaturen über 140 °C oder unter UV-Einstrahlung niedrigerer Wellenlänge jedoch reversibel geöffnet und unter UV-Bestrahlung höherer Wellenlänge erneut vernetzt werden. Die so entstehenden Möglichkeiten eines »programmierbaren Materials« werden im Fraunhofer Cluster of Excellence Programmierbare Materialien CPM für einen in seiner Rheologie reversibel schaltbaren Schmierstoff genutzt. Eine vielversprechende technische Anwendung liegt in der Umformtribologie. 

 

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Skispringen auf Matten auch im Winter?

11.05.2023

© Fraunhofer IWM
Abb. 1: Gefrorenes Wasser auf einer Faser der Matte.

 

Prof. Dr. Matthias Scherge

Im Oktober 2022 gab es einen Anruf vom ARD Sportjournalisten Benjamin Wüst. Im Rahmen der Skisprung-Berichterstattung sollte über das Thema „Mattenspringen auch im Winter!?“ berichtet werden. Der Anlass war das erste Weltcupspringen auf Matten in Wisła, aber auch generell die Klima- und Energiekrise. Nach einem Drehtag beim Mattenhersteller Mr. Snow in Chemnitz und an der Schanze in Steinbach-Hallenberg, erfolgte der Dreh im Schneetribologielabor des MikroTribologie Centrums µTC in Karlsruhe. „Mr. Snow“ hatte uns mehrere Mattenstücke geschickt. Wir hatten diese in unser Reibungsmessgerät eingebaut und auf -10°C vorgekühlt. Vor der Kaltmessung wurde zu Vergleichszwecken die Reibung bei Raumtemperatur gemessen. Danach widmeten wir uns zwei Fragen: „Wie groß ist die Reibung im kalten Zustand?“ und „Würde Schnee auf den Matten halten?“. Durch die Versuche konnten beide Fragen simultan beantwortet werden. Die Reibung war im gekühlten Zustand geringer als bei Raumtemperatur. Als Wasser aus einer Sprühflasche als simulierter Regen auf die Matten auftraf, bildeten sich nahezu instantan kleine Eiskügelchen (siehe Bild), die nochmals die Reibung verringerten und als Andockstelle für den Fall von Neuschnee fungieren sollten. Somit konnte gezeigt werden, dass reibungs- und präparationstechnisch alles in Ordnung ist. Anders als im Sommer müssen die Matten nicht bewässert werden, um kleine Reibung zu erhalten. Natürlicher Schnee verträgt sich gut mit den Matten, so dass man für alle Winterbedingungen optimale Verhältnisse im Aufsprunghügel erzeugen kann.

Den Film kann man derzeit noch in der Mediathek finden.

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Doppelspitze im Geschäftsfeld Tribologie

30.03.2023

© Fraunhofer, Foto: Piotr Banczerowski
Prof. Michael Moseler (links) und Prof. Matthias Scherge (rechts)

Seit dem 1. Januar hat das Geschäftsfeld Tribologie des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM eine Doppelspitze, bestehend aus Prof. Matthias Scherge und Prof. Michael Moseler. Mit dieser Umbildung reagieren wir auf die gestiegenen Mitarbeitendenzahlen des Geschäftsfelds sowie des MikroTribologie Centrums µTC. Letzteres besteht seit seiner Gründung im Jahr 2020 aus 5 Fraunhofer-Gruppen und 3 KIT-Gruppen. Insgesamt sind auf diese Weise ca. 130 Tribologen und Tribologinnen mit spannenden Aufgaben auf dem Gebiet von Reibung, Verschleiß und Schmierung betraut.

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24. internationale Konferenz »Wear of Materials«

09.03.2023

© 2023 Elsevier

Prof. Dr.  Martin Dienwiebel

In zwei Monaten findet die 24. internationale »Wear of Materials« statt. Nachdem die letzte Konferenz nur virtuell abgehalten werden konnte, treffen sich dieses Jahr Expert*innen auf dem Gebiet Verschleiß und Verschleißschutz wieder in Präsenz in Banff, Kanada. Die Konferenzserie, die 1977 von Prof. Ken Ludema ins Leben gerufen wurde, ist die weltweit führende Veranstaltung auf dem Gebiet der Verschleißforschung und präsentiert eingeladene Beiträge und Ergebnisse auf diesem Gebiet. Auch die diesjährige WOM wird mit großer Beteiligung und Vorträgen des MikroTribologie Centrums µTC stattfinden. Dazu gehören ein Keynote Vortrag von Prof. Dr. Christian Greiner, der die Tribooxidation von Kupfer beleuchtet, und ein Beitrag zum Thema Hochtemperaturtribologie.  

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Verschleiß von Kohlenstoffnanoröhren in hochbelasteten Kontakten

02.03.2023

© Fraunhofer IWM
Abb. 1: Degeneration einer CNT-Schicht in der atomistischen Simulation. Am Kontakt zwischen zwei CNTs (in der Abbildung markiert) kommt es zu einer lokalen Drucküberhöhung. Die CNTs werden daher bereits bei vergleichsweise niedrigen makroskopischen Drücken geschädigt und die reibungsreduzierende Wirkung der Schicht wird beeinträchtigt.

Dr. Andreas Klemenz

Um Reibung und Verschleiß zu verringern, werden häufig Öle und Fette zur Schmierung verwendet. Bei einigen Anwendungen, wie z. B. der Lebensmittelverarbeitung, können diese jedoch nicht eingesetzt werden. Stattdessen kommen in solchen Fällen oft Trockenschmierstoffe wie Graphit oder MoS2 zum Einsatz. Neben diesen etablierten Materialien können auch Beschichtungen aus Kohlenstoffnanoröhren (Carbon Nanotubes, CNTs) eingesetzt werden. Dies ist jedoch ein relativ neuer Ansatz und das Verhalten von CNT-Beschichtungen unter tribologischer Belastung wurde bisher kaum untersucht. In den vergangenen Jahren wurden derartige Schichten daher mit Hilfe von Experimenten und atomistischen Simulationen in einem Gemeinschaftsprojekt mit der Universität des Saarlandes untersucht.

Neben einer Verringerung der Reibung wurde in den Experimenten beobachtet, dass bereits bei relativ geringen Drücken nach einiger Zeit eine Degeneration der CNTs eintritt und die reibungsmindernde Wirkung der Beschichtungen verloren geht. CNTs weisen eine hohe mechanische Stabilität auf, so dass sich die Frage stellt, warum es überhaupt zu einer Schädigung kommt und über welche Mechanismen sie abläuft. Um diesen Fragen nachzugehen, wurden Beschichtungen von CNTs unter tribologischer Belastung mittels klassischer Molekulardynamik untersucht (Abb. 1). Dabei stellte sich heraus, dass sowohl die Struktur der CNTs selbst, als auch die Struktur der Schichten einen maßgeblichen Einfluss auf das Verschleißverhalten haben. Der Durchmesser und die Anzahl der inneren Wände in einer mehrwandigen CNT bestimmen ihre mechanische Stabilität und damit auch ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber tribologischen Belastungen. Je größer die Anzahl der inneren Wände ist, desto stabiler ist die einzelne CNT. Ein Vergleich zwischen den atomistischen Simulationen und den Experimenten zeigte klar, dass die einzelnen CNTs eine zu hohe mechanische Stabilität besitzen, um den Verschleiß der Schichten mit den Eigenschaften der einzelnen CNTs erklären zu können. Dieser hat seine Ursache stattdessen in der Anordnung der CNTs in den Beschichtungen. Typischerweise haben diese eine relativ offene Struktur, in der die CNTs stark verknäuelt sind. Dies führt dazu, dass an den Kreuzungspunkten der CNTs bereits bei relativ geringen makroskopischen Drücken hohe lokale Drücke anliegen, die ausreichen um die CNTs zu schädigen.

Auf der Basis der Simulationsergebnisse konnten die makroskopischen Drücke berechnet werden, ab denen eine Degradation der CNTs auftreten sollte. Die berechneten Werte wiederum zeigten eine gute Übereinstimmung mit den tatsächlich im Experiment bestimmten Drücken. Darüber hinaus zeigten detaillierte Elektronenmikroskopische Untersuchungen der experimentellen Beschichtungen eine sehr gute Übereinstimmung mit den Vorhersagen des CNT-Schädigungsprozesses aus den Simulationen. Insgesamt ermöglichen die erzielten Ergebnisse ein tieferes Verständnis der Degradationsmechanismen von CNT-Schichten unter tribologischer Belastung.

Weitere Details können der Originalpublikation entnommen werden [1].

[1] MacLucas, T.; Klemenz, A.; Grünewald, P. ; Presser, V.;  Mayrhofer, L.; Moras, G.; Suarez, S.; Dienwiebel, M.; Mücklich, F.; Moseler, M., Multiwall carbon nanotubes for solid lubrication of highly loaded contacts, ACS Applied Materials & Interfaces 6/3 (2023) 1755-1769  Link

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Einfluss chemisorbierter Schmierstofffragmente auf die Trockenreibung zwischen a-C-Oberflächen

14.02.2023

© Fraunhofer IWM
Molekulardynamiksimulationsaufbau, mit dem trockene Reibkontakte zweier amorpher Kohlenstoffoberflächen untersucht wurden (a). Die Oberflächen wurden dabei mit Alkan- und Alkoholketten unterschiedlicher Längen und Dichten passiviert (b). Übernommen aus [1].

Dr. Kerstin Falk, Dr. Thomas Reichenbach, Prof. Dr. Michael Moseler, Dr. Gianpietro Moras

Bei der Modellierung und Simulation von tribologischen Systemen werden meist zwei grundlegende Fälle unterschieden: trockene und geschmierte Kontakte. Die Realität sieht aber oft komplexer aus. Laufen geschmierte Systeme trocken, können Rückstände des Schmiermittels auf den Oberflächen verleiben und diese gar chemisch verändern. In einer neuen Veröffentlichung [1] haben wir den Einfluss solcher chemisorbierter Öl-Schmierstofffragmente auf die Trockenreibung am Beispiel amorpher Kohlenstoffoberflächen (a-C) untersucht. Dafür wurden mittels Molekulardynamik atomistische Tribo-Modellsysteme aus a-C-Gegenkörpern simuliert, auf deren Oberfläche Alkane und Alkohole unterschiedlicher Länge und Dichte chemisch angebunden waren (siehe Abbildung). Die verschiedenen Reibpartner wurden bei 1 GPa Last mit 2 m/s konstanter Geschwindigkeit gegeneinander geschert und die resultierende Reibkraft ermittelt. Mit diesem Ansatz wurde zum Beispiel die Abhängigkeit der Reibung von der Länge der Fragmente und insbesondere von der Oberflächendichte der Fragmente untersucht. Weiterhin wurden auch verschiedene Polaritäten der Molekülfragmente betrachtet.

Dabei zeigte sich, dass die Reibung zwischen den mit Schmierstofffragmenten bedeckten Oberflächen durchweg höher war, als wenn die a-C-Oberflächen schlicht mit atomarem Wasserstoff abgesättigt wurden. Unter allen kettenpassivierten Systemen wiesen diejenigen mit einer sehr hohen Dichte gleich langer Alkanketten die geringste Schubspannung auf. Der Grund hierfür ist, dass durch sehr dicht gepackte Kettenenden vergleichsweise glatte Oberflächen entstehen, zwischen denen kaum Verhakungen stattfinden. Allerdings ist zu erwarten, dass dieses Szenario nur durch gezieltes Oberflächendesign und nicht durch die zufällige Adsorption von tribologisch degradierten Ölmolekülen realisierbar ist. Außerdem ergab sich für die Modellsysteme mit chemisorbierten Alkoholketten im Allgemeinen eine noch etwas höhere Reibung als im jeweils korrespondierenden unpolaren System. Die chemisorbierten Schmierstoffreste sorgen also durchweg für eine höhere Reibung im Vergleich zu den ursprünglichen, atomar glatten und H-terminierten a-C-Oberflächen.

Um diese qualitativen Trends besser zu verstehen, wurde außerdem der durch sterische Wechselwirkungen erzeugte Widerstand gegen die Gleitbewegung semi-quantitativ ausgewertet. Dafür wurde ein Überlappungsparameter definiert, der die atomare Verzahnung der zwei Oberflächen entlang der Gleitrichtung charakterisiert. Es konnte gezeigt werden, dass die Variation der Reibwerte für die verschiedenen Grenzflächenstrukturen gut mit diesem Überlappungsparameter korreliert und somit durch die sterischen Wechselwirkungen erklärt werden kann. Im Falle polarer Schmierstofffragmente stellte sich heraus, dass die Elektrostatik, zusätzlich zur Sterik, die Reibung mitbestimmt. 

[1] Falk, K.; Reichenbach, T.; Gkagkas, K.; Moseler, M.; Moras, G., Relating dry friction to interdigitation of surface passivation species: a molecular dynamics study on amorphous carbon, Materials 15/9 (2022) Art. 3247, 17 Seiten. Link

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Ausnutzung des Einlaufverhaltens von geschmierten PEEK

07.02.2023

© Fraunhofer IWM
Geschmiertes Polyetheretherketon weist bei günstiger Belastung ein vorteilhaftes Einlaufverhalten auf, bei dem ein Anlösen und Transferieren des PEEK und das Spreiten des Schmierstoffs sowie die Bauteilkühlung wirksam sind. a) und b): PEEK wird dabei auf den Stahl übertragen. c): Nahe der Glastemperatur (~150°C) sind die Reibung und der Verschleiß bei angelöster Oberfläche minimal.

Dr. Christof Koplin, Dr. Raimund Jaeger

Polyetheretherketon ist ein Thermoplast, welcher auch bei erhöhten Temperaturen eingesetzt werden kann, bei denen übliche Thermoplasten über ihre mechanischen und thermischen Belastungsgrenzen hinaus beansprucht werden. Mit zunehmender Bedeutung der E-Mobility rückt die Nutzung von PEEK stärker in den Blickpunkt. Widerstandsfähige Lager als auch Zahnräder aus Hochleistungspolymeren ermöglichen ruhigen, schwingungsdämpfenden Betrieb. Für PEEK sind dessen hohe Temperaturbelastbarkeit bei hohem elektrischen Durchschlagsschutz weitere Vorteile. Überdies ermöglicht der Ersatz von metallischen Antriebskomponenten durch Hochleistungsthermoplasten eine Verringerung der CO2-Emission – Thermoplasten sind Leichtbauwerkstoffe und »low carbon materials«.

Unter geeigneten Belastungen können geschmierte PEEK-Stahl-Systeme ein sehr günstiges tribologisches Verhalten zeigen (Abbildung a). Die Verminderung von Reibung und Verschleiß entsteht durch die guten Spreitungseigenschaften von Öl zwischen Stahl und PEEK, die hohe mechanische Belastbarkeit des Kontakts aufgrund der ausbleibenden Überhitzung und den in Folge hoher Pressungen entstehenden dünnen Transferfilm von PEEK auf Stahl (Abbildung b). Der Transfer glättet die Stahloberfläche, unterstützt die Filmbildung der Schmierung und senkt somit signifikant Reibung und Verschleiß. Die Bildung des Transfers kann über eine gezielte Einlaufprozedur erhöht werden, wird über ein Anlösen des PEEKs durch den Schmierstoff verstärkt und entwickelt sich bei Kontakttemperaturen unterhalb der Glastemperatur besonders intensiv (Abbildung c). Welche Schmierstoffe für diese Einlaufprozedur förderlich sind, können wir in einem Screeningverfahren ermitteln.

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