Plasmagestützte Nanostrukturierung von Glasabdeckungen nach biologischen Vorbildern

29.06.2023

© Fraunhofer IWM 2023
Abb. 1: Über Plasmaätzen erzeugte Nanostrukturen in Glas. Links über eine CF4/Ar-Mischung, rechts über eine SF6/Ar-Mischung.

Dr. Frank Burmeister

Für viele Anwendungen besteht ein hoher Bedarf an hochtransparenten und medienabweisenden Abdeckscheiben, z.B. für Sensoren und Kameras im Automobilbereich. Aus Gründen der Beständigkeit sollten diese vorzugsweise aus Glas gefertigt werden. In einer aktuellen Kooperation mit einem großen Hersteller von Automobilverglasungen wurde vom Fraunhofer IWM nun eine Alternative zu konventionellen Verfahren wie Antireflex- und Kratzschutzbeschichtungen erforscht. Dazu wurden Floatglasscheiben einem reaktiven HF-Plasma ausgesetzt und über selbstorganisierte Strukturbildung eine Nanostrukturierung der Glasoberfläche erzeugt (vgl. Abbildung 1). Entscheidend dabei war die Kombination von reaktiven Prozessen (über Fluor-Radikale) und physikalischem Sputtern (über Beschuss mit Ar-Ionen). Die erzeugte Struktur ähnelt in ihrer Topografie dem biologischen Vorbild des Flügels des Glasflügelfalters und bewirkt eine effektive und breitbandige Entspiegelung. Über eine Kombination mit einer weiteren Plasmabehandlung mit HMDSO-Precursor konnten die erzeugten Oberflächen wahlweise extrem hydrophil oder hydrophob ausgestaltet werden. 

© Fraunhofer IWM 2023/Saint-Gobain Sekurit Deutschland GmbH
Abb. 2: Reflektionsmessungen vom Projektpartner an drei plasmageätzten Glasscheiben unter verschiedenen Winkeln (links: 8°, Mitte: 60°, rechts: 70°). Man beachte die gegenüber der Referenz (in blau) deutlich verringerte Reflexion unter hohen Winkeln bei 70°.

Eine Besonderheit des Vorhabens bestand darin, dass erstmals versucht wurde, nicht nur Quarzglas, wie oftmals in der Literatur, sondern technisches Floatglas zu strukturieren. Durch die Verwendung SiO2-beschichteter Scheiben ist es gelungen, eine nur schwach wellenlängenabhängige und auch unter großem Betrachtungswinkel wirksame Antireflex-Strukturierung zu erreichen (vgl. Abbildung 2). Damit konnte gegenüber klassischen Antireflexbeschichtungen, die vorwiegend unter einem schmalen Winkel- und Wellenlängenbereich gut wirksam sind, eine wesentliche Verbesserung erreicht werden.

Der erarbeitete Prozess muss noch im Detail weiterentwickelt und validiert werden, zeigt aber jetzt schon ein hohes Potenzial für großtechnische Anwendungen. Die eingesetzten CCP-Plasmen (capacitively coupled) lassen sich leicht aufskalieren. Die Ätzraten von ca. 10 nm/min – 20 nm/min liegen in einem Bereich, der sie für industrielle Fertigungsprozesse mit kurzen Durchlaufzeiten interessant macht. 

 

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