Blogeintrag 29.07.2019

Atomarer versus molekularer Wasserstoff

29.07.2019

Atomarer (oben) und molekularer (unten) Wasserstoff führen zu einer deutlich unterschiedlichen Bedeckung von Titanoxidoberflächen mit Wasserstoff. Dadurch dringt atomarer Wasserstoff wesentlich leichter ins Materialinnere ein.

Dr. Leonhard Mayrhofer, Prof. Dr. Michael Moseler

Wasserstofferzeugung und –speicherung gelten als Schlüsseltechnologien, um in der zukünftigen Energiewirtschaft auf fossile Energieträger verzichten zu können. Wasserstoff spielt aber auch eine wichtige Rolle bei der Materialermüdung etwa in geschmierten hochbelasteten Wälzlagern wie sie beispielsweise in Windkraftanlagen verbaut werden. Für all diese Anwendungen ist ein vertieftes Verständnis der Wechselwirkung von Wasserstoff mit Metall bzw. Metalloxidoberflächen von hoher Bedeutung.

In einer gemeinsamen Studie der Fraunhofer-Institute IST und IWM mit den Universitäten TU Braunschweig, Universität Barcelona, University of Science and Technology Hong Kong und der Jiangsu University aus Zhenjiang wurde nun untersucht, inwieweit sich die Wechselwirkung von atomarem Wasserstoff mit einer Titanoxidoberfläche gegenüber molekularem Wasserstoff unterscheidet. Die Wasserstoffbehandlung von Titanoxid führt zu einer Schwarzfärbung des Materials und ist ein sehr aktives Forschungsgebiet, da sogenanntes „schwarzes Titandioxid„ für zahlreiche Anwendungen in der Katalyse, Photokatalyse, photoelektrochemischen Wasserstofferzeugung und in der elektrochemischen Energiespeicherung in Frage kommt. Bisherige Verfahren der Wasserstoffbehandlung setzen auf eine Gasatmosphäre aus molekularem Wasserstoff, benötigen in der Regel hohe Temperaturen, Drücke und lange Prozesszeiten und stellen keine industriell skalierbaren Verfahren dar. Durch ein am Fraunhofer IST entwickeltes Heißdrahtverfahren konnte nun die Wasserstoffbehandlung wesentlich effizienter durchgeführt werden. Hierbei werden Wolframdrähte auf eine Temperatur von ca. 1700 °C erhitzt, wodurch Wasserstoffmoleküle an der Drahtoberfläche dissoziieren und eine atomare Wasserstoffatmosphäre entsteht. Der atomare Wasserstoff ist im Vergleich zum molekularen Pendant sehr viel effizienter in der Erzeugung schwarzen Titandioxids. Dies ermöglicht eine Prozessführung bei kleinen Drücken und Substrattemperaturen sowie mit deutlich kürzerer Zeitdauer. Zudem eignet sich das Verfahren sehr gut zu einer industriellen Hochskalierung.

Die Frage, warum sich atomarer Wasserstoff so stark von molekularem Wasserstoff hinsichtlich der Oberflächenwechselwirkung unterscheidet wurde mit quantenchemischen Simulationsmethoden am Fraunhofer IWM untersucht. Hierbei stellte sich heraus, dass der chemisch aktivere atomare Wasserstoff selbst bei stark reduzierten Drücken zu einem deutlich höheren Bedeckungsgrad der Oxidoberflächen führt. Insbesondere werden auch Oberflächenplätze besetzt, auf welchen der Wasserstoff nur schlecht angebunden ist. Da eine Desorption in die Gasphase von diesen Plätzen aus aber unterdrückt ist, bleibt dem Wasserstoff nichts anderes übrig, als ins Material einzudringen. Dieser Pfad eines schnellen Übergangs ins Materialinnere ist für molekularen Wasserstoff allerdings versperrt, so dass sich deutlich längere Prozesszeiten ergeben oder aber Druck und Temperatur stark erhöht werden müssen, wodurch das Oxidsubstrat in Mitleidenschaft gezogen wird. Die verwendeten Simulationsmethoden können allgemein für die Beschreibung von Wasserstoff auf Oberflächen und sein Eindringen in Materialien angewendet werden, wie an diesem Beispiel demonstriert wurde.

Die Ergebnisse dieser Studie werden demnächst in der Zeitschrift Advanced Energy Materials veröffentlicht.

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