»Stiction«-Messungen als robuste Begleitcharakterisierung zur Interaktionsbestimmung von einlaufenden geschmierten Thermoplast-Stahl Kontakten

© Fraunhofer IWM
Abb. 1: Die Reibung, die sich nach Einlauf auf einer geschliffenen Stahlscheibe bei Mischreibung ergibt, ist für in Öl ausgelagerte Systeme zur Grenzreibung proportional.

Dr.-Ing. Christof Koplin

In der Antriebstechnik kommen Kunststoffkomponenten häufig in Kontakt mit Schmierstoffen, sei es während des Betriebs oder auch während des Stillstands des Antriebs. Der Schmierstoff kann in den Thermoplast diffundieren und zu einer Änderung der viskoelastischen und viskoplastischen Eigenschaften der Kunststoffkontaktfläche führen und das gesamte tribologische Verhalten beeinflussen.

Für schnelles Screening sucht das µTC Ansätze, mit denen für verschiedene Schmiermedien eine Rangfolge des Reibwerts oder der Verschleißrate schnell und robust ermittelt werden kann, bevor die aufwändigen und von vielen Einflussgrößen abhängenden Stift-Scheibe-Versuche durchgeführt werden. Der Übergang vom Haften zum Gleiten kann mittels einer oszillatorischen Messung durch die Phasenverschiebung von Anregung und Antwort genau analysiert werden. Inwieweit lassen sich aber aus dem Grenzreibungszustand eines ausgelagerten Systems beim Übergang vom Haften zum Gleiten, also einem Zustand ohne Flüssigkeitsreibungsanteil und ohne Einlaufentwicklung, Aussagen über das Verhalten des tribologischen Systems im eingelaufenen Zustand in der Mischreibung treffen?

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Hierzu wurden vier verschiedene Industrieöle unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung aber gleicher Viskosität, drei Thermoplaste (PA46, POM und PK) und Stahl als Reibpartner untersucht. Die Kunststoffe wurden bei 100°C für 1000 h unter Stickstoffschutz in dem jeweiligen Öl ausgelagert. Für die drei Thermoplaste wurde die »Haftschwelle« Fstiction. mittels oszillatorischer Messungen mit den vier Ölen als Schmiermedium gemessen und hieraus µstiction = Fstiction / Fn ermittelt. Weiterhin wurde der Reibwert im eingelaufenen Zustand µRunIn für die drei Thermoplaste und den 4 Schmiermedien gemessen. Aufgrund der unterschiedlichen chemischen Zusammensetzung der Öle (die Viskosität der Öle ist gleich) ergeben sich unterschiedliche Werte µstiction und µRunIn. Eine fortgeschrittene Wechselwirkung des Schmierstoffs mit dem Thermoplast scheint daher schon in der Grenzreibung, beim Übergang vom Haften zum Gleiten, vor Ausbildung eines Schmierfilms und Einlaufeffekten, tribologisch sichtbar zu werden. Darüber hinaus kann offensichtlich zwischen quellenden Systemen mit POM und nicht quellenden Systemen in dieser Korrelation unterschieden werden. Die schnelle und robuste Bestimmung von µstiction scheint universell für den gesamten Mischreibungsbereich nutzbar.

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